Ich bin wieder einmal oder immer noch mit der Täter-Opfer-Dynamik beschäftigt. Neulich meinte ich zu den Studierenden in meinem Hochschulseminar, dass das für mich die vielleicht schwerwiegendste Folge von Gewalt ist. Menschen, die Gewalt erlitten haben, drohen über kurz oder lang selber Gewalt anzuwenden – entweder gegen sich selbst oder gegen andere. Aus Gewalt entsteht Gewalt, woraus wieder Gewalt entsteht. So wie in Gertrude Steins Gedichtzeilen: A rose is a rose is a rose is a rose. Gewalt zerstört und sie bleibt auch zerstörerisch. Es entsteht ein fürchterlicher Kreislauf der Gewalt: Opfer werden zu Tätern und Täterinnen, die wiederum immer neue Opfer schaffen, die wiederum zu Tätern und Täterinnen werden, die dann … und so weiter.
„Und kann man da überhaupt aussteigen?“, fragte mich daraufhin eine Studentin. „Es erscheint mir wie ein endloser Kreislauf.“
„Doch – natürlich gibt es eine Möglichkeit da auszusteigen.“
Doch dazu müssen Opfer und Täter die Tat und deren Folgen klar und wahrheitsgetreu benennen. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Diese Geschehen muss als solches stehenbleiben können. Ohne dass es sich auflösen soll, gesühnt werden soll, versöhnt werden soll, wieder gut werden soll oder gar ungeschehen gemacht werden soll. Das, was geschehen ist, soll auch wirklich geschehen sein, damit es nicht wieder geschehen muss.
Wenn ich darüber nachdenke, wenn ich mich auf meine Seminare vorbereite und Folien erstelle, oder wenn ich die Lebensgeschichten meiner Klienten und Klientinnen erfahre, dann begegne ich immer wieder auch mir und meinen un/verarbeiteten Erfahrungen. So wie gestern:
„Du weißt ja, wir sind aus dem Sudetenland vertrieben worden und als Flüchtlinge nach dem Krieg in dieses bayerische Dorf gekommen. Ich war immer einsam. Mit mir wollten die anderen Dorfkinder nicht spielen. Und dann kam noch erschwerend hinzu, dass mein Vater der Lehrer in der Schule war. Mir einem Flüchtlingskind spielen, das so komisch redet, und dann noch mit einem Lehrerskind?! Nein, ganz gewiss nicht. Irgendwann habe ich dann begonnen, mich als etwas besseres zu halten: Ich bin viel gescheiter als die Dorfkinder. Ich komme aus einer Lehrersfamilie und nicht aus dem Bauernhof, so wie die da alle.“
Und damit war sie in mir wieder da, meine Referendariatszeit an einem Gymnasium in Regensburg Ende der 1990er.
Mit 20 Jahren Abstand kann ich sagen – ein Lehrstück einer Täter-Opfer-Dynamik.
Ich hatte mich für das Referendariat in Deutsch und Geschichte angemeldet und wollte unbedingt in Regensburg bleiben. Und so freute ich mich sehr, als ich meine Seminarschule zugeschickt bekam. Regensburg, was für ein Glück, dachte ich noch. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich Max, einem Kommilitonen, freudig erzählte, an welche Seminarschule ich kommen werde. Doch dieser freute sich überhaupt nicht. Im Gegenteil:
„Oh, da sind doch X und Y Seminarrektoren. Das sind richtige Arschlöcher dort. Geh‘ da nicht hin. Da hast du keine Chance. Der für Deutsch, der X, hasst niederbayerisch sprechende Menschen und überhaupt sind die sehr, sehr konservativ!“
Doch das kam für mich nicht in Frage. Ich wollte ja in Regensburg bleiben und außerdem konnte ich mir das nicht vorstellen, dass ich von vornherein keine Chance haben könnte. Ich dachte mir, wenn ich mich nur genug anstrenge, dann überzeuge ich durch meine Leistung. Da war ich mir sehr sicher.
Ich trat das Referendariat nach den Faschingsferien an. Und so fuhr ich mit meinem Rad und meinem Rucksack anstatt zur Uni einfach zur Seminarschule. Dort wurden wir angehenden Deutschlehrer von X mit den Worten eingeführt: Kinder und Jugendliche müssten in Zeiten einer immer schlimmer werdender Rollendiffusion in ihren geschlechtsspezifischen Rollen wieder gestärkt werden. Frauen sollten wie Frauen ausschauen, demnach mit langen Haaren, Röcken und entsprechenden Schuhen, und Männer mit Anzügen unterrichten.
Ich musste lachen. Einen Bezug zu mir, zu meinem Aussehen – kurze Haare, Jeans und T-Shirt, Turnschuhe – und zu dem Aussehen der anderen Referendare konnte ich nicht herstellen. Und so kam ich auch am nächsten Tag – wie immer – in die Schule, um dort festzustellen, dass alle anderen Referendare ihre Kleidung demgemäß angepasst hatten. Ich war sprachlos. Zumal Simon, den ich von der Uni flüchtig kannte, zu mir meinte, ich müsste mich unbedingt anders anziehen, weil ich sonst keine Chance hätte. Ich musste wieder lachen.
Nein, das mach ich ganz bestimmt nicht.
Ein paar Wochen später sollte ich eine Deutschstunde in einer 5.Klasse vorführen. Ich stand vorne vor der Klasse und hinten saß das Deutschseminar und besagter Seminarlehrer X. Danach wurde meine Stunde besprochen, was ich didaktisch anders hätte machen können/sollen, wie ich anders auftreten sollte, etc. … Das übliche Vorgehen nach einer Vorführstunde. Ich war ganz froh und zufrieden, wie es gelaufen war. Ganz zum Schluss bemerkte der Seminarlehrer noch vor allen anderen, ich hätte drei mal den Dialektausdruck ‚ebs‘ (für etwas) verwendet. Das wäre unmöglich in einem Deutschunterricht an einem Gymnasium. Das würde er hier unter keinen Umständen dulden. Ich hingegen war sehr überrascht und meinte mehr zu mir selbst gesprochen: „Nur dreimal?“ Daraufhin beendete er die Besprechung. Als alle bereits den Raum verlassen hatten, rief er mich zu sich an den Pult, verschränkte seine Arme vor der Brust und meinte zu mir: „Frau Freund, Sie wissen schon, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Herkunftsort und der Intelligenz gibt.“
„Wie bitte?“
„Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Intelligenz und dem Herkunftsort. Die Menschen aus dem Bayerischen Wald sind geistig doch etwas minder bemittelt.“
Ich fragte ihn, ob er das noch einmal wiederholen könnte.
„Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Intelligenz und dem Herkunftsort. Die Menschen aus dem Bayerischen Wald sind geistig doch etwas minder bemittelt. Frau Freund, überlegen Sie sich doch mit welcher Sprache sie zukünftig sprechen und unterrichten wollen.“
Ich verließ den Raum mit den Worten, dass dies wohl für verschiedene Herkunftsorte gültig zu sein scheint.
Ich sprach immer wieder von meinen Erlebnissen. Und immer wieder hörte ich die gleichen Ratschläge: Diejenigen innerhalb dieses Systems, meine Mitreferendare rieten mir, mich unbedingt endlich anzupassen, weil ich so keine Chance hätte. Menschen außerhalb des Systems, wie zum Beispiel meine Eltern, Andreas, Freunde und Bekannte hingegen redeten auf mich ein, hier aufzuhören und im Herbst an einem anderen Gymnasium wieder anzufangen. Ich hätte keine Chance dort.
Doch ich war nicht erreichbar, für nichts und niemanden mehr. Ich war längst schon inmitten einer Täter-Opfer-Dynamik. Hineingezogen in die Täterenergie von X, dieses Seminarlehrers für Deutsch. Und so machte ich weiter, einfach weiter in einem Kampf, in dem ich nur verlieren konnte.
Im Mai sollte meine erste Lehrprobe stattfinden. In Geschichte in der Unterstufe. Ich bereitete mich unglaublich akribisch vor. So als ginge es um mein Leben und gleichzeitig ahnte ich, dass ich keine Chance haben würde. Am Nachmittag vor der Lehrprobe bereitete ich das Klassenzimmer vor. Ich hielt meine Stunde vor zwei mir lieb gewonnenen Mitreferendare. Danach ging ich ins Lehrerzimmer, um meine Sachen zusammenzupacken. Da kam der eigentliche Geschichtslehrer dieser Klasse auf mich zu und meinte, ob ich noch Hilfe benötigen würde für morgen. Als ich verneinte, meinte er noch im Gehen zu mir, dass er sich grundsätzlich aus Benotungen raushalten würde. Das wollte er nur gesagt haben. Wenige Minuten später kam der Direktor auf mich zu und meinte, er wäre morgen nicht dabei, weil er ja Naturwissenschaftler wäre und keine Ahnung von Geschichte hätte. Statt seiner nähme nun der Seminarlehrer für Deutsch teil. Deutsch wäre ja wie Geschichte eine Geisteswissenschaft.
(Die Prüfungskommission bildet sich üblicherweise aus dem Direktor, dem Seminarlehrer des jeweiligen Faches und dem eigentlichen Lehrer, der das Fach in dieser Klasse unterrichtet.)
Ich war also verloren. In diesem Moment trat der Seminarlehrer für Deutsch an meinen Tisch im Lehrerzimmer und beugte sich über mich und meinte zu mir: „Frau Freund, wir sollten Ihre morgige Lehrprobe besprechen.“
Wie ferngesteuert bot ich ihm den Stuhl neben mir an, obwohl ich ganz bestimmt nicht mit ihm meine Stunde besprechen wollte.
„Nein, nicht hier.“ Dabei berührte er meinen Arm. „Wir sollten uns einen schönen Abend machen in einem angenehmen Ambiente.“
Daraufhin sagte ich nur „Nein. Das sollten wir ganz bestimmt nicht.“ Mehr konnte ich dazu nicht mehr sagen. Ich weiß bis heute nicht, was danach passierte und wie und wann ich zurück in mein Studentenzimmer kam. (In einer Aufstellung, mit dem Anliegen ‚Was ist da in dem Lehrerzimmer passiert?‘ deutete sich an, dass – wie auch immer – die Szene weiterging.)
Die Lehrprobe lief perfekt, genauso wie in meiner Verlaufsplanung angegeben. Danach standen die Schüler auf und applaudierten. Die Prüfungskommission verließ fluchtartig den Raum. Und ich bekam noch eine große Packung Gummibärchen.
Danach stürzten drei Mitreferendare auf mich zu. Sie berichteten von einem Gespräch, dass sie zufällig mitgehört hatten: X meinte vor meiner Lehrprobe zu Y, ich müsse unbedingt eine Fünf bekommen, denn dann würde ich nicht in den Zweigschuleinsatz kommen und das ganze Referendariat über an der Seminarschule bleiben.
So war es auch. Ich bekam tatsächlich eine Fünf. Mangelhaft bedeutet: „Eine an erheblichen Mängeln leidende, im ganzen nicht mehr brauchbare Leistung.“ Bei der Begründung hieß es unter anderem, dass meine Stunde viel zu leicht war, da alle Schüler und Schülerinnen meinem Unterricht folgen konnten und miteinbezogen waren.
„Frau Freund, sie sind nicht in der Lage einen kognitiv hochstehenden Unterricht, wie es sich für ein Gymnasium ziemt zu gestalten.“ Ich sollte doch eher an einer (damals noch sogenannten) Hauptschule unterrichten und nicht an einem Gymnasium, das ausschließlich für die Förderung der Eliten zuständig wäre.
Ich war fassungslos und wütend: „Ja, klar. Die depperten und dummen Lehrer zu den depperten und dummen Schülern in der Hauptschule.“
Da meinte X: „Warum weinen Sie nicht? Ich habe doch Ihr Leben zerstört mit dieser Note.“
Das letzte, was ich an diesem Tag, noch schaffte, war zu sagen: „Sicher nicht. Ich hätte ein Problem, wenn ich von Ihnen eine gute Note bekommen hätte.“ Daraufhin warfen sie mich raus und beendeten die Besprechung. Danach verließ ich die Schule und radelte zur Donau und setzte mich ans Ufer und weinte.
Ich bin tatsächlich zum Opfer geworden, zum Opfer eines Mannes, der mich meiner Herkunft wegen zutiefst hasste. Warum, wusste ich damals noch nicht. Es ist genau das eingetreten, was mir immer und immer wieder vorausgesagt wurde. Ich konnte nicht aussteigen. Ich musste weitermachen, bis zu dieser Lehrprobe. Offenbar ließ ich mich zum Opfer machen.
Am nächsten Tag wurde mir mehr und mehr bewusst, wie sehr mir Unrecht geschehen ist. Ich erinnerte mich an die Aussagen der drei Referendare und fasste neuen Mut.
Ich wusste damals aber noch nichts über Täter-Opfer-Dynamiken, nichts darüber, wie sehr die Täterenergie eines einzelnen Menschen ganze Systeme beherrschen und manipulieren können, bis hin zu Rechtsbeugungen. Ich war mir sicher, dass ich mich zur Wehr setzen könnte, dass ich nachträglich Recht bekomme würde. Ich hatte ja die Aussage über die zuvor schon festgelegte Note. Erst jetzt mit meiner intensiven Auseinandersetzung in den letzten Jahren, beginne ich zu verstehen, was damals passiert ist, in was ich da hineingezogen wurde und mich hineinziehen ließ.
So rief ich im Bayerischen Ministerium für Kultus und Unterricht an und schilderte dort meine Erlebnisse.
„Ach ja, wieder der X. Das wissen wir schon. Unter uns gesagt: Das kam schon öfter vor. Es haben sich auch schon Referendare in seinem Seminar umgebracht. Wissen Sie, der geht in drei Jahren in Pension. Da haben Sie keine Chance. Da steht Aussage gegen Aussage. Und da macht sich sowieso niemand mehr die Mühe. Das wird ausgesessen. Der geht bald. Und ich sage es Ihnen gleich, sie wissen ja, X ist der Leiter der gesamten Seminarlehrer für Deutsch in Bayern. Wenn sie woanders anfangen, der hat überall seine Finger im Spiel.“
Noch am selben Tag erhielt ich Anrufe dieser drei Referendare, auf deren Aussage ich mich verließ und verlassen wurde. Sie teilten mir alle drei mit, dass man ihnen mitgeteilt hätte, dass sie schweigen sollten, andernfalls würden sie das Referendariat nicht gut beenden. Es täte ihnen sehr leid, aber sie wollen unbedingt Lehrer werden, also werden sie offiziell nicht bestätigen, was sie gehört hätten. Dafür sind sie dann tatsächlich mit ungewöhnlich guten Noten bezahlt worden.
Ich erhielt auch Anrufe zweier Lehrer, die mir beide ähnlich mitteilten, wie schlimm sie es fänden, was mir durch X widerfahren wäre, dass ich nicht die einzige bin, dass sie es aber im Laufe der Zeit leid wären, sich für Referendare einzusetzen. Diese gehen dann weg und sie müssten aber mit diesen beiden Herren weiterarbeiten. Das tun sie sich nicht mehr an, so leid es ihnen für mich täte.
So wusste ich also, woran ich war. Ich konnte nicht mehr. Ich resignierte und ließ mich längerfristig krankschreiben.
Mein Vater, ein Mann mit Erfahrungen mit Beamten und Ministerien, und Andreas, mein jetziger Mann, ein Lehrer, waren entsetzt und meinten, ich müsste rechtliche Schritte einleiten. Sie würden mich unterstützen. Das ginge so nicht. Das könnte ich nicht mit mir machen lassen.
Aber ich konnte nicht. Leider. Ich war zusammengebrochen. Ich verstand mich selber nicht.
Es dauerte Jahre bis mir bewusst wurde, warum ich mich nicht rechtlich wehren konnte, warum ich auch nicht an die Öffentlichkeit ging: Eben deswegen, weil X – eben wie Täter es üblicherweise machen – mich und das ganzen Schulsystem bis hinauf ins Ministerium manipulierte. X erschien übermächtig. Alle ordneten sich dem unter. Wie ich erst vor ein paar Jahren erfahren habe, war dieser Machtmissbrauch von X in Regensburg bekannt, weswegen mich auch mein Studienkollege Max derart klar gewarnt hatte. Die Öffentlichkeit wusste Bescheid, doch niemand hat je etwas dagegen unternommen. Ich habe mich dieser scheinbaren Übermacht komplett unterworfen. Mich zum Opfer gemacht und zum Opfer machen lassen.
Nachdem meine Krankmeldung für das gesamte restliche Schuljahr an der Schule ankam, rief mich X zuhause an: „Frau Freund, kommen Sie doch zurück an die Schule. Wir lassen Sie in Ruhe, es gibt keine Unterrichtsbesuche mehr, sie bekommen regelmäßig ihr Gehalt und bestehen das Referendariat.“
„Wie bitte, Sie haben mir eine Fünf gegeben, mir also völlige Inkompetenz attestiert, und jetzt soll ich eineinhalb Jahre eigenständigen Unterricht machen?! Die Schüler schädigen?! Das geht doch nicht. Nein, definitiv nicht.“ Ich habe einfach den Hörer aufgelegt.
Zwei Jahre Später: Ich hatte soeben mit meinem neuen Studium der Sozialen Arbeit begonnen, als mich eine Nachricht einer Bekannten erreichte. X war mit einem Herzinfarkt im Lehrerzimmer zusammengebrochen und anschließend gestorben, während er zuvor sein nächstes ‚Opfer‘ ähnlich wie mich terrorisiert hatte.
Was war da los?
Durch einen Zufall erfuhr ich, dass X als Kind von Heimatvertriebenen in einem Dorf im Landkreis Freyung-Grafenau aufgewachsen ist. Ganz in der Nähe bin ich auch aufgewachsen. Er wurde wegen seiner Sprache und seiner Familie immer wieder misshandelt. Sein Vater und/oder sein Onkel – ich weiß es nicht genau – war Schulrat, und war wie mir berichtet wurde ein ’scharfer Hund‘. Und so rächten sich die Dorfkinder an ihm, dem kleinen Jungen mit der komischen Sprache, für etwas, was sein Vater bzw. Onkel ihnen angetan hat. Sie verprügelten ihn immer wieder.
Und da komme ich an seine Schule, genau aus dieser Gegend mit dieser Sprache und bin nicht gewillt mich dafür zu schämen und mich zu bemühen, meine Herkunft zu verbergen. Und noch dazu mit einem starken Überlebensanteil – wie Bruce Springsteen es ausdrückte „no retreat, baby, no surrender.“ Kein Rückzug, nicht aufgeben, immer weiter kämpfen – bis zum bitteren Ende. Auch wenn dieser Kampf nicht zu gewinnen ist.
Das ist die Täter-Opfer-Dynamik. Und sie bezieht sich eben nicht nur auf das Opfer und den Täter. Sie bindet ein gesamtes soziales Gefüge und zerstört es. Darin ist keine wirkliche Hilfe und Unterstützung, kein Schutz zu erwarten.
Mit dem Wissen von heute würde ICH gar nicht erst dort anfangen, aufhören, spätestens nachdem ich wegen Sprache und Herkunft derart beleidigt wurde, allerspätestens aber nach dem sexuellen Übergriff im Lehrerzimmer. Und selbst wenn ich zur Lehrprobe noch angetreten wäre, würde ich mich danach juristisch wehren. Zumindest hoffe ich, dass mich mein Wissen über mich, über den Täter und über die Täter-Opfer-Dynamik schützen würde.
Mit dem Wissen von heute über mich und meine entsprechenden Überlebensstrategien will ich mich an der Hand nehmen und mich in Sicherheit bringen.